REKOMBINATION VON STÄDISCHEM WOHNEN & ARBEITEN

Technische Universität Darmstadt
Entwurfsseminar Prof. H. Eckhardt

Vorwort

Ein Prinzip der europäischen Stadt besteht in der räumlichen überlagerung von Wohnen und Arbeiten, historisch herausgebildet und differenziert bis in die Gebäudetypologien.
Die aktuelle Diskussion zur Zukunft städtischer und "zwischenstädtischer" Bereiche mündet politisch bisher nur in der Forderung nach einer "Stadt der kurzen Wege" bzw. nach Funktionsmischung auf kleinen Parzellen- ein eher romantisches Ideal.
Der hier dokumentierte Entwurf thematisiert neue, weitergehende Phänomene im räumlichen und funktionalen Verhältnis von büroähnlichem Arbeiten und Wohnen.

1. veränderte Sichtweisen und Anforderungen, die sich aus dem Bild eigenständiger, hoch qualifizierter Menschen ("Erwerbstätiger") ergeben, die in den derzeitigen "Gründerjahren" globaler digitaler Möglichkeiten ihre Lebenschancen verwirklichen wollen und dafür u.a. Gebäudeformen brauchen, die übergänge zwischen Wohnen und (büroähnlichen) Arbeitsformen ermöglichen.

2. Gebäudetypen, die als "hybride Gebäude" unterschiedliche Anforderungen in intelligenten räumlichen und technischen Konzepten zusammenführen. Daraus lassen sich Effizienzvorteile und Synergien beispielsweise hinsichtlich Energieeinsatz und Verbrauch ableiten. Gebäude entstehen als "24-Stunden"-Nutzungen, ermöglichen städtische Dichte bzw. bilden selbst Stadt. So fordert die Aufgabenstellung u.a. die Auseinandersetzung mit dem Aspekt der energetischen Vernetzung von (südgerichteten) Wohnungen und (nord- gerichteten) Büros in einer thermischen "Energiewaage".
Da es sich hierbei um "forschendes Lernen" und experimentelles Entwerfen handelt - (ein wichtiger Teil der universitären Architektenausbildung), wurde das Entwurfsthema mit einem seminaristischen Vorspann eingeleitet: Betrachtet wurde die Geschichte "hybrider" Gebäudetypen des späten Mittelalters, auch die Bedeutung beispielsweise eines "Fondaco dei Tedesci" als internationale Wohn- und Handelsbörse im Venedig der Renaissance, ebenso wie die Kontor- und Wohntypologien der aufstrebenden Bürgerstädte.

Wohn- und Bürokombinationen der "Chicago School", ebenso wie aktuelle Projekte und Studien, beispielsweise Steven Holl`s "Hybridwürfel" in Amsterdam, belegen die geschichtliche Kontinuität des Themas.
In den Diskussionen und Referaten erschienen Konzepte einer "Immeuble Villa" von L.e Corbusier erstaunlich aktuell und anregend.
Die entwurfsbegleitende Recherche zeigte im übrigen (auch hier) den Vorsprung anderer europäischer Länder in der Theorie und Realisierung solcher Projekte (vgl. "Europan 4/5").

Das Prinzip von "recombination", das dem Entwurf seinen Titel gab, beschreibt in Anlehnung an biologische Prinzipien, die Neuformung unterschiedlichster Pänomene aus der Re (=Neu) -Kombination und Multiplikation weniger bekannter Grundbausteine.



Den Beteiligten an diesem Forschungs - und Entwicklungsprojekt ist die vielfältige Kritik an Misch -Gebäudetypen dieser Art bekannt:
- fehlende "Reinheit" im Sinne zweckfunktionaler Gebäudestruktur.
- Erforderniss nachbarschaftlicher Gemeinsamkeit und übereinkunft von Bewohnern und Bürotätigen.
- aufwendigere Erschließungs- und Versorgungssysteme
- unbekanntes Thema, deshalb ungewünscht und in den Baunutzungsverordnungen nicht enthalten.


Prof. H. Eckhardt / F & E "Rekombination" von Wohnen und Arbeiten